Intervenieren, nicht distanzieren

Intervenieren und nicht distanzieren

Ich wurde gebeten, einen Artikel zu dieser Formel zu schreiben, die ich mehrere Male schon in der internen Diskussion der „Freien Linken“ vorgetragen habe. Ich versuche mich prägnant zu halten.

Die gesamte politische Linke, wie auch immer man diesen Begriff fasst (objektiv ist er ohnehin nicht), ist von einem wahren Distanzierungswahn befallen. Gegeneinander, untereinander, in wachsendem Maß bis in kleinste Gruppen hinein, und als „kollektive Linke“ (was immer das sein soll) gegen alle anderen, die sich nicht „links fühlen“.

Ich halte das aktuell unter anderem für das Werk unzähliger Zersetzungsoperationen nach der Art von „COINTELPRO“ (Programm des FBI von 1956 bis weit in die 80er Jahre gegen die damalige Linke, die Antikriegsbewegung, der Black Panther usw.), aber hausgemachte Unarten gab es auch schon gerade in der deutschen Linken schon früher. Aber in den 70er Jahren waren die zersplitterten linken Gruppen wenigstens bemüht, Herz und Kopf der Mehrheit der Bevölkerung (die mehrheitlich eine proletarische ist) zu erreichen, und punktuell (lokal) gelang das auch, etwa bei einigen Ereignissen im Rahmen der Anti-AKW-Bewegung. Daran erinnere ich mich noch gut.

Die Unterscheidung von „links“ und „rechts“ stammt aus dem 19. Jahrhundert und bezeichnete die Sitzanordnung von Republikanern links, konstutionellen Monarchisten in der Mitte und reaktionären Monarchisten ganz rechts.

Danach hat sich eingebürgert, Vertreter eines politisch-sozialen Fortschritts als links zu bezeichnen und Vertreter einer Restauration oder zumindest Beharrung als rechts.
Die Linke muss daher unbedingt eine Mehrheit der Bevölkerung gewinnen. Mit Mehrheit der Bevölkerung meine ich keineswegs die „politische Mitte“, die eine winzige Minderheit ist gegenüber einer Mehrheit von politisch apathischen, neutralen oder gleichgültigen Menschen, weil in ihrem alltäglichen Lebenskampf verwickelt, mit Arbeit, Beziehungen usw.
Gewiss, das ist sehr ungenau, und Marxisten ziehen auch allemal klassenanalytische Begriffe vor.

Ich halte ganz intuitiv „oben“ und „unten“ für wichtiger als „links/rechts“.

„Rechts“ und „links“ erweisen sich gerade heutzutage als Label, als Klebezettel, die man beliebig sich selbst oder anderen anheften kann.

Ein (!) Generalfehler fast aller linken Strömungen der letzten Jahrzehnte war der, dass sie ein sub-kulturelles Verständnis von „Links-Sein“ entwickelten und diese Szene(n) mehr oder weniger vom Rest der Welt erwartete, dass man sich ihr kulturell anpasst. Die Genderisierungskampagne war ein Gipfel davon und stieß in einer Mehrheit der Bevölkerung auf Ablehnung. Die „linke Szene“ wirkte nach aussen aus meiner Sicht mehr und mehr wie ein großes, belehrendes „Umerziehungslager“, denn als Botschafter einer neuen Gesellschaft.

In der Corona-Plandemie kam das voll zum Ausbruch und die herrschende Klasse konnte tatsächlich große Teile der „linken Szene“ für sich instrumentalisieren, vor allem mit der schon legendären „Kontaktschuldhypothese“. Führe ich jetzt nicht aus.

Ich halte nur fest: will eine Linke, gleich in welchem Zeitalter, wirklich eine neue Gesellschaft herbeiführen, dann muss sie die Mehrheit der Gesellschaft von unten gegen oben gewinnen für genau das Projekt einer neuen, besseren Gesellschaftsordnung. Sonst, knapp gesagt, klappts einfach nicht. Sie muss also in sie intervenieren (also wörtlich: hineingehen) und darf sich nicht von ihr distanzieren. Eine Linke, die das nicht tut, verliert ihren Sinn und ihren Zweck, und wenn man so will: ihre historische Mission. Das sollte jeder Mensch, der sich „links“ denkt oder fühlt, einfach begreifen. Es ist im Grunde ganz einfach.

Und wir von der Freien Linken wollen das nicht: unsere historische Aufgabe verfehlen.
Jedenfalls will ich das nicht.

Ich möchte jetzt auf der politischen Ebene auf meine immer wieder vorgetragene Losung aufmerksam machen, die ich für eine geradezu strategische Losung halte und das ist:

Daseinsvorsorge
gehört in öffentliche Hand
unter öffentliche Kontrolle

(ggfs erweitert durch)

In vergesellschafteten Betrieben
wählen die Beschäftigten die Vorgesetzten

Ich habe bisher niemanden gefunden in der Diskussion in der Freien Linken, der dieser Losung explizit widerspricht. Erstaunlicherweise aber stimmen auch viele (kulturell-politisch) nicht-Linke dieser Losung spontan zu.

Also ist sie eine wirklich strategische Losung, mit der eine intelligente Linke Menschen gewinnen kann, die sich ihrerseits nicht als (kulturell) Linke sehen.

Gleichzeitig konkretisiert diese Losung etwas, was ein Fundament wirklichen Sozialismus sein muss und wird, ohne dass wir das Sozialismus nennen MÜSSEN (verschweigen brauchen wir es auch nicht).

Denn klar unterscheidet sich das von dem scheinbaren „Sozialismus“ der VEBs der DDR, wo die Beschäftigten eben nicht ihre Vorgesetzten wählten, und auf gesamtstaatlicher Ebene ihre Führung schon gar nicht.

Diese Losung bietet eine Menge Diskussionsstoff mit geradezu ALLEN nicht-linken politischen Lagern und Szenen

Ich stelle mir daher vor, diese Losung wie ein Mantra zu verwenden, im besten Sinne.

Das Proletariat (die Klasse der Arbeitskraftverkäufer) stellt die große Mehrheit der Bevölkerung. Es ist sich aber seiner Größe und seiner Macht nicht bewusst. Noch weniger ist es seiner gemeinsamen Interessen bewusst. Das ist ein Problem auf der subjektiven Ebene.
Gemeinsamer Interessen wird sich ein überwiegender Teil der Menschen nicht durch intellektuelle Belehrungen bewusst, sondern fast immer durch gemeinsame Erfahrungen, gemeinsame Erlebnisse und vor allen durch gemeinsames Handeln, durch die erlebte Solidarität.

Wer das nicht begreift, weiß nichts von realem Klassenkampf.

Das Proletariat, so stark und mächtig letzten Endes, ist aber zersplittert in unzählige „soziokulturelle Milieus“. Dieser Begriff wurde von der Soziologie entwickelt, um die Begriffe Klasse und Schicht abzulösen, was aber wissenschaftlich nicht tragfähig ist. Hinter allen nur möglichen soziokulturellen Milieus aber stecken trotzdem Schichten und letztlich zwei Hauptklassen.

Trotzdem sind „soziokulturelle Milieus“ eine psychische und subjektive Realität, geschuldet der Tatsache, dass (nach Charles Fourier) letztlich der menschliche Wunsch nach Identität (nach Unterschiedlichkeit) allen Menschen mehr oder weniger stark innewohnt.

Übrigens ist auch die „linke Szene“ nur eine „Identitätsgemeinschaft“ von vielen, die ihrerseits auch in hunderte Sub-Identitäten zerfällt (man muss sich schließlich immer wieder distanzieren…)

Eine wirkliche Linke, die eine Bewegung für eine neue Gesellschaft in Gang zu bringen vermag, muss aber in der Lage sein, mit allen diesen „soziokulturellen Milieus“ zu kommunizieren, und damit meine ich vor allem: gewinnend zu kommunizieren. Und das bedeutet auch: ungeachtet weltanschaulicher Differenzen gemeinsam entlang der gemeinsamen Interessen zur Aktion schreiten.

Ich komme zum Thema zurück.

Ich sprach von intervenieren (=hineingehen), nicht distanzieren.

Hineingehen (in die gesamte maßnahmekritischen Bewegungen) bedeutet nicht mit leeren Händen hineingehen und sich darin auflösen. Wir kommen mit einem Vorschlag, einem Angebot für zahllose Aktionen an den sozialen Brennpunkten unserer Gesellschaft, anwendbar auf sie alle.

Gegen jede weitere Privatisierung und Rekommunalisierung der Krankenhäuser. Gegen die Privatisierung von S-Bahn und Nahverkehr. Gegen die Macht der Pharma- Rüstungs- und Finanzkonzerne usw. Gegen Umweltzerstörung usw . Gegen Privatisierung von Wohnraum.

Das alles bedeutet letztlich: folgende positive Richtung

Daseinsvorsorge
gehört in öffentliche Hand
unter öffentliche Kontrolle

Klar erfüllt sich diese Losung einfach dadurch dass sie vereinzelt gefordert wird.

Klar wird keine Regierung so eine Forderung erfüllen.

Diese Vision wird sich erst erfüllen, wenn sich Millionen Menschen in Deutschland über sie Gedanken machen, und wie sie erfüllt werden kann, wenn man sie schon als unterstützenswert anerkannt hat. Aber diese Vision müssen wir offensiv in die breite Mehrheit der Gesellschaft tragen, damit sie die Köpfe und Herzen erfassen kann.

Hinterlasse einen Kommentar