Der Ursprung des Patriarchats – erste Skizze eines Aufsatzes

 
Venus von Willendorf
Wie kam es zur Entstehung des Pariarchats? Und welcher Zusammenhang besteht mit der Herausbildung des Privateigentums an Produktionsmitteln und der Entstehung von Klassengesellschaften?
Über diese historischen Themen mache ich mir immer wieder Gedanken. Hier eine erste Textskizze aufgrund einer Diskussion in facebook.


 

Es war ein Prozeß, der über die Verfaßtheit der Gens ablief.

Der lateinische Begriff „Gens“ (im kirchenlateinischen, christlichen Kontext synonym für „Heiden“) bezeichnet eine verwandtschaftliche Organisation, die im deutschen am besten als „Sippe“ bezeichnet werden kann.

Der durch und durch partiarchal geprägte Begriff „familia“ dagegen bezeichnet in der römischen Antike den „Besitz eines (freien) Mannes“ und ist eine Art Plural des Begriffs „Haussklave (lat. famulus, siehe auch „Famulant“).

Nach meiner Ansicht war die Formierung der Gens („Sippe“) der entscheidende Faktor, der die Menschheit aus dem Tier-Mensch-Übergangsfeld weiterentwickelte. Bei Primaten gibt es vorwiegend die „Horde“ als Struktur (basierend darauf meine These: die wesentliche Funktion der Sexualität neben der Fortpflanzungsfunktion ist – zumindest bei Säugetieren – die Herstellung sozialer Beziehungen zwischen Individuen).
Notwendigerweise war die Gens im Ursprung weiblich (also über weibliche Erbfolge) bestimmt, was allerdings noch kein Privateigentum an Produktionsmitteln beinhaltete.
Mit der Frage der Entstehung von Klassen beschäftigte sich Engels auch im Anti-Dühring. Er nannte dort zwei Wurzeln:
– die Degeneration gesellschaftlicher „Ämter“ (die für sich betrachtet durchaus notwendig und sinnvoll waren)
– die Sklaverei aufgrund von Kriegsgefangenschaft
Das beantwortet allerdings noch nicht die Frage, warum es damit weitgehend einherlaufend zum Übergang zum Patriarchat kam.
Marx und Engels stellen diesen weltweiten Übergang nur fest, beschäftigten sich aber nicht näher mit den Gründen.
Einen interessanten Ansatz liefert dazu der amerikanische Philosoph Ken Wilber, der durchaus „marxistisch“ argumentiert:
Es gab in der Produktionsweise auch einen Übergang von der Gartenbau-Wirtschaft zur Ackerbau-Wirtschaft, basierend auf dem Einsatz von Pflügen. Nebenbei bemerkt erstaunlich, dass ein Nicht-Marxist einen solchen diskutablen Ansatz lieferte. Wurde der Gartenbau (mit Hackstock etc.) sehr stark von Frauen getragen, so erfordert die Pflugwirtschaft eine andere körperliche Konstitution und Kraft und war vor allem für schwangere Frauen und Mütter mit Kleinkindern nicht praktizierbar, wodurch die Dominanz des männlichen Geschlechts, sogar aufgrund eines allgemeinen Konsenses, unumgänglich war.
Dieser Ansatz unterscheidet sich meines Erachtens wohltuend von pseudo-marxistischen, bestenfalls vulgärmarxistischen Mythen, wonach in fernster Vergangenheit das männliche Geschlecht als „erste herrschende Klasse“ irgendwie (möglicherweise aufgrund einer weltweiten Verschwörung) „die Macht ergriffen hätte“. Ken Wilbers These dagegen basiert – ganz marxistisch – auf ökonomischen Tatsachen.
Allerdings ist diese These aus meiner Sicht auch noch unzureichend. Denn das Patriarchat entstand auch, wo es gar keine Pflugwirtschaft gab. Wobei insgesamt der Übergang zum Patriarchat in verschiedenen Weltgegenden auch sehr zeitverschoben stattfand.
Meine These ist: Der wesentliche Faktor des Übergangs zum Patriarchat war die Notwendigkeit des Krieges.
Diese These ist zunächst nicht leicht zu verstehen. Man muss wissen, dass in der neolithischen Phase (Gartenbau und Ackerbau, sowie Viehzucht) die Gens („Sippe“) der wesentliche Bezugspunkt des Lebens aller Menschen darstellte. Jeder Mensch definierte seine Existenz über die Zugehörigkeit zu einer Sippe (denn außerhalb war er gar nicht überlebensfähig).
Innerhalb der Sippe waren die Frauen die einzigen, die (sinnlich erfahrbar) nachkommen hervorzubringen in der Lage waren (unabhängig von der Samenspender-Rolle des Mannes).
Die Notwendigkeit des Krieges ergab sich daraus, dass Sippen auch gegeneinander um Ressorucen kämpfen mussten (Andererseits schlossen sie allerdings auch Allianzen).
In Kriegshandlungen kommt es auch zwangsläufig zu schweren Verletzungen und Todesfällen. Eine Logik, die ich nicht näher ausführen möchte, zwang die neolithischen Sippen dazu, im wesentlichen Männer den direkten Kriegshandlungen auszusetzen und die Frauen der eigenen Sippe davon auszunehmen (weil ansonsten die Fortpflanzungsfähigkeit der Sippe in Frage gestellt worden wäre).
Um es zuzuspitzen: matrilineare Sippen („Matriarchat“) „delegierten“ die eigenen Männer exklusiv für den Krieg (der für die einzelne Sippe „notwendig“ zum Überleben war) und nahmen Frauen davon aus.
Bedingt durch diesen Umstand und kombiniert mit dem Übergang zur Pflugwirtschaft kam es dadurch zu einer „Umpolung“ der Struktur Gens („Sippe“). In neolithischen und bronzezeitlichen Sippen musste die militärische Organisation (die ausschließlich männlich war) an „Reichweite“ die der traditionellen Verbindungen zwischen Sippen bei weitem übersteigen. Es waren Männer, die innerhalb dieser Aufgebote die jeweiligen Sippen repräsentierten (sehr gut nachvollziehbar an der Heeresorganisation des frühen Rom.
DIESE „Umpolung“ (Männer, und nicht mehr Frauen repräsentieren eine Sippe gegenüber einer größeren gemeinschaft) stellt aus meiner Sicht den eigentlichen Übergang zum Patriarchat dar.
Das (männliche) Privateigentum an Produktionsmitteln ist demnach das Resultat der „Umpolung“ der Gens durch die Notwendigkeit des Krieges einerseits und der Verengung des Sippeneigentums auf das Privateigentum des (männlichen) Sippenoberhauptes andererseits.

3 Gedanken zu “Der Ursprung des Patriarchats – erste Skizze eines Aufsatzes

  1. Klingt folgerichtig.
    Genauer haette ich die „Notwendigkeit“ des Krieges
    erlaeutert bekommen…(allerdings ein weites Feld)
    Auch bleibt im Einzelnen ungeklaert, wie es bis in unsere Tage zu solch eklatanter allgemeiner globaler Entwertung des Weiblichen kommen konnte…..
    I. Hauschld

  2. Ich bin zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen, was die Bedeutung des Krieges für die Patriarchatsentstehung angeht.
    Allerdings kennen wir viele matriarchale bronzezeitliche Hochkulturen wie die Induskultur (Meluha), Kreta, Alteuropa und vielleicht auch die ersten Stadien von Sumer. Diese waren völlig friedlich. Das bedeutet, dass ein gesellschaftliches Mehrprodukt nur die Voraussetzung für die Teilung der Gesellschaft in Klassen ist, aber dass diese sich nicht sofort und automatisch vollzieht, wenn es vorhanden ist. In vielen Gesellschaften existierten Ausgleichsmechanismen, die der Akkumulation des Mehrproduktes Grenzen setzten. Wohlhabendere Sippen waren moralisch verpflichtet, aufwendige Feste auszurichten, auf denen das Mehrprodukt gemeinsam verzehrt wurde. Deshalb konnte sich die klassenlose Gesellschaft auf einem viel höheren Entwicklungsniveau halten, als dies bisher angenommen wurde.
    Vor allem der Krieg war der Mechanismus, der aus der Möglichkeit einer Klassengesellschaft eine Realität machte. Nach kriegerischen Eroberungen setzten sich die Eroberer als Herren über die bisherigen Bewohner. Sie waren nicht mehr verpflichtet, das von ihnen gewaltsam eingetriebene Mehrprodukt mit den Unterjochten zu teilen.
    Kriegerische Stammesgesellschaften entwickelten sich in Steppen und Halbwüsten wie den eurasischen Steppen und der arabischen Halbinsel. Der hauptsächlich von Frauen betriebene Ackerbau war von geringer Bedeutung, stattdessen dominierte die von Männern betriebene Viehzucht. Deshalb wurden die Männer bald das dominierende Geschlecht. Alle Fähigkeiten, die man für Jagd und Viehzucht braucht, lassen sich auch gut im Krieg anwenden. Deshalb ist es kein Wunder, dass der Krieg in diesen Gesellschaften bald endemisch war. Die durch ständige Kriege gestählten Indoeuropäer und Semiten expandierten schließlich – vielleicht nach einer Klimaverschlechterung in die Mutterländer – die den kampfgestählten Kriegern, die zudem im Falle der Indoeuropäer noch über das Pferd verfügten, nicht mehr entgegensetzen konnten.

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